(Siebter Teil, Perspektivenwechsel, die Autorin Birgitta schreibt jetzt in ihrem Namen )

Diejenigen, die nicht den Gebräuchen und Lebensregeln ihrer Gesellschaft gehorchen wollen, haben es nicht leicht. Die von der Mehrheit der Gesellschaft angewandten ungeschriebenen Verhaltensregeln lassen keine Ausnahmen zu. Es ist durchaus verständlich, dass viele Personen sich lieber an das vorgegebene Bild von Herrn und Frau Soundso anpassen, als täglich mit den abschätzenden Kommentaren ihrer Mitmenschen konfrontiert zu sein und ein Leben als Außenseiter zu wagen. 

Sie tun ihr Möglichstes, um dem typischen Bild eines Mannes und einer Frau ihrer Altersgruppe zu entsprechen. Der Gruppeneffekt ist ein Wort, das besonders häufig in Verbindung mit Jugendlichen benutzt wird, die oftmals viel Unsinn machen, nur um als Mitglied einer Gruppe akzeptiert zu werden und zu verhindern, sich vor der Gruppe lächerlich zu machen. Der Gruppeneffekt existiert aber in allen Altersgruppen, nur spricht man nicht davon. Ich habe dieses Phänomen beim Aufkommen der Informatik voll miterlebt, ohne mir zu der Zeit bewusst zu werden, was gespielt wurde.

Ich erkläre: Ich war knapp 50, als die Informatik im täglichen Leben zu greifen begann. Nach den ersten Berührungsängsten hatte ich schnell verstanden, dass sich endlich die Tür zur Welt für mich öffnete. Es wurde extrem einfach, an Informationen zu gelangen, zumindest Referenzen von Sachbüchern zu finden, die ich mir dann gezielt besorgen konnte, um sie zu studieren. Die Geschwindigkeit und Kostengünstigkeit des Informationsaustausches per E-Mail (die anderen Mittel gab es noch nicht) stellte einen unermesslichen Vorteil für mich dar. Was für ein wunderbares Werkzeug! Natürlich musste ich zuerst lernen, dieses Werkzeug zu benutzen. Aber ich hatte ja auch derzeit gelernt, mit Messer und Gabel zu essen und später sogar Spaghetti um die Gabel zu wickeln. So zweifelte ich auch nicht an meiner Fähigkeit, die Benutzung eines Computers und des Internets zu lernen. Ich dachte, ich höre nicht richtig, als ich erfuhr, dass meine Zeitgenossen fanden, Internet und E-Mails seien für ihr Alter zu kompliziert. Wie bitte?

Was war denn das für eine ulkige Idee, diese neuen Errungenschaften mit dem Alter in Verbindung zu bringen? Mit dem Alter wird unser Körper schwächer, dadurch können viele Menschen mit der Schwierigkeit konfrontiert sein, sich von einem Ort zum anderen zu bewegen. Ist es nicht eine Wohltat zu wissen, dass man jetzt zu Hause bleiben kann, anstatt für jede Information mit öffentlichen oder privaten Verkehrsmitteln bis zur nächsten Universitätsbibliothek zu fahren, dort stundenlang nach einschlägiger Lektüre zu suchen, das Buch auszuleihen oder die Seiten zu photokopieren, dann damit wieder nach Hause zu fahren und endlich sich der Lektüre zu widmen? Ist es nicht wunderbar, mit anderen Leuten von seinem Schreibtisch aus direkt Dokumente auszutauschen, anstatt sie zu fotokopieren, in einen Umschlag zu stecken und mit der Post zu schicken? – Diese Argumente wurden nie hervorgezogen, um die 40- und 50-jährigen dazu zu animieren, sich mit der neuen Informationstechnik anzufreunden. Im Gegenteil, im Beruf wurden viele gar nicht mehr in die neuen Techniken eingeführt und „durften“ sich bis zur Rente Handlangertätigkeiten widmen, die ihnen „verständnisvoll“ angeboten wurden. Viele konnten auch etwas früher in Rente gehen und entgingen so dem unangenehmen Gefühl, nicht mehr auf der Höhe zu sein. Wieso waren sie nicht auf der Höhe? Weil man sie Glaubens machte, das sei so in ihrem Alter.

Wie kommt es dann, dass die 50-jährigen des Jahres 2000 heute, zwanzig Jahre später, alle mit ihrem Smartphone in der Tasche herumlaufen? Die praktischen Smartphones mit Internet, Fotoapparat und allem Drum und Dran wurden viel später als die E-Mails erfunden, die Menschen waren sechzigjährig oder älter, als sie sich schließlich aus praktischen Gründen ein Smartphone zulegten.

Und die 40- und 50-jährigen des Jahres 2020? Die neuen Kommunikationsmittel haben in den letzten 20 Jahren enorm zugenommen und sind viel komplexer geworden. Hört man Klagen von 40- oder 50-jährigen, das sei doch alles viel zu kompliziert? Irgendwas ist doch faul an dieser Geschichte!