Was ist Liebe?

Ein Buch von Birgitta Bischoff

Neunundsechzig Jahre Spurenlesen im Wandel der Zeiten

Die Bücher sind in folgenden Geschäften erhältlich (bisher nur Westschweiz)  : 

Martigny (VS) : Librairie Baobab

Salvan (VS) : Au p’tit local

Vevey  (VD) : Librairie la Fontaine

Worum geht es?
  • Autobiografischer Roman: Kindheit und Jugend in deutschsprachigem Umfeld, danach französischsprachig. Tiefgreifende Veränderungen des Lebens von der Nachkriegszeit bis heute.
  • Erlebnisse mit Kommentaren, die sich mit dem Alter und der Lebenssituation der erzählenden Person verändern.
  • Der Roman besteht aus sieben Teilen, die in Kapitel und Unterkapitel unterteilt sind.

    Zusammenfassung

    Erster Teil: Kindheit eines in der Nachkriegszeit (1952) in Norddeutschland geborenen Mädchens, Kathrina. Die Lebensbedingungen entsprechen auf dem Land denjenigen des 19. Jahrhunderts, die einzige Ausnahme ist das elektrische Licht. Die Erziehung eines Mädchens bereitet sie auf ihre spätere Rolle als Ehefrau und Mutter vor. Die kleine Kathrina ist ausschließlich von Erwachsenen umgeben. Sie darf nicht mit anderen Kindern spielen. Sie darf auch nicht Plattdeutsch sprechen, obwohl zu der damaligen Zeit dort an der Küste niemand Hochdeutsch spricht. Sie darf Plattdeutsch nicht einmal verstehen. Ihr Großvater ist Lehrer und gilt als Oberhaupt der Familie. Er sagt, die plattdeutsche Sprache sei nicht gut für Kathrina. Alle Familienmitglieder gehorchen und sprechen Kathrina nur auf Hochdeutsch an. Kathrina muss sich ausschließlich dieser Sprache bedienen, die sonst niemand spricht.

    Kathrina wird gewahr, dass die Erwachsenen ihr nicht dasselbe erzählen, wie das, was sie untereinander besprechen. Sie steht vor einer doppelten Schwierigkeit: Sie muss in der Sprache der Lüge die Wahrheit sagen und sehr aufpassen, dass niemand etwas davon merkt, dass sie Plattdeutsch perfekt versteht. Gewissensbisse machen ihr zu schaffen, weil sie versteht was sie nicht verstehen soll. Sie fühlt sich nur in Sicherheit in ihrem Denkraum, den sie sich selbst kreiert hat und von dem niemand etwas weiß. Hier kann sie frei denken, was sie will, niemand kennt die Existenz dieses virtuellen Raumes. Katrina möchte gern überlegen, was Liebe ist. Aber der Denkraum akzeptiert diese Frage nicht.

    Kathrina beschreibt ihren Lebensraum so, wie sie ihn als kleines Kind wahrnimmt. Ihre Erinnerungen sind anekdotisch, aber sie erinnert sich nicht nur an Fakten, sondern auch an ihre damaligen Gedanken. Dieses Kind muss jede Nacht in einem Zimmer schlafen, wo der schwarze Eisenofen in der Ecke sich, sobald es dunkel wird, in den bösen Wolf verwandelt. Der böse Wolf sagt ihr, sie dürfe ihn nicht verraten, sonst würde er sie sofort fressen. Leider verspricht er ihr nie, sie nicht zu fressen, wenn sie ihn nicht verrät. So lernt Kathrina stärker als ihre Angst zu werden.

    Zweiter Teil: Umzug – der böse Wolf bleibt zurück in der alten Wohnung. Kathrina ist jetzt den ganzen Tag allein mit ihrer Mutter. Sie lernt verschiedene Techniken von Nadelarbeit, aber ihr Geist langweilt sich sehr, sie nutzt jede Gelegenheit, um ihrer Mutter Streiche zu spielen. Mit 6 ½ Jahren kommt Kathrina endlich zur Schule. Ihr Leben veränderte sich schlagartig. In der Schule wird nur Hochdeutsch gesprochen, sie ist nicht mehr allein. Sie darf mit anderen Kindern spielen, nur weiß sie nicht, wie man das macht. Kathrina ist viel lieber in der Schule als zu Hause. Als plötzlich 6 Wochen Sommerferien angesagt werden, ist sie entsetzt. Kathrina ist ein „hochbegabtes“ Kind, wie man heute sagt. Sie hat großes Glück mit den außergewöhnlich verständnisvollen Lehrkräften in der Grundschule. Eine sehr religiöse Lehrerin im guten Sinne erklärt den Schülerinnen und Schülern die Nächstenliebe und hält sie dazu an. 

    Kathrina ist zum ersten Mal mit dem Tod konfrontiert, als eine liebe Nachbarin stirb, ist sie traurig, sich nicht verabschiedet zu haben. Kathrina ist kein Kleinkind mehr, sie liest alles, was sie in die Hände bekommt, ihre Überlegungen werden komplexer. Sie will immer noch wissen, was Liebe ist und findet die Liebe der Erwachsenen zu den Kindern fürchterlich, weil diese Liebe ihrer Erfahrung nach daraus besteht, den Kindern Lügen zu erzählen. Ihr wird des Alkoholismus der meisten Männer und der oft sehr prekären Situation der Frauen gewahr.

    Die Sechzigerjahre bringen große gesellschaftliche Veränderungen mit sich. Das Fernsehen schickt die Information jetzt in die Häuser. Kathrina kann noch einige Male an den Hausschlachtungen im Familienrahmen teilnehmen, bevor diese ganz aufhören.

    Dritter Teil: Kathrina kommt mit 11 Jahren aufs Gymnasium (deutsches System, nach der vierten Grundschulklasse). Ihre Welt wird immer grösser. Die meisten Schülerinnen und Schüler wohnen im der Schule angeschlossenen Internat. Es sind Kinder begüterter Leute aus aller Welt. Kathrina ging schon immer gern zur Schule und noch lieber jetzt im Gymnasium, weil sie sich dort weniger langweilt. Die Lehrkräfte haben alle den Krieg erlebt, was natürlich ihre Persönlichkeit geprägt hat. Manche sind psychisch sehr labil. Obwohl Kathrina gern lernt, hat sie Schwierigkeiten, sich an strikte Schemen zu halten. Sie findet den Französischunterricht völlig sinnlos, tut so gut wie gar nichts, schafft dann aber ihr Französischabitur mit einer guten Note, weil sie ein paar Monate vor der Prüfung beginnt, auf ihre eigene Art zu lernen. Der Englischunterricht beginnt, als gerade die Beatles bekannt werden. Die Musik ist ein schöner Ansporn.  Im Alter von 11 Jahren erklärt Kathrina ihren Eltern, dass sie sie nach dem Abitur sofort verlassen würde und nie wieder kommen würde. Sie weiß, dass die Polizei sie nicht mehr zu den Eltern zurückbringen würde. Sie verliebt sich und erlebt eine große Enttäuschung. Daraufhin beginnt sie, ihre Flucht vorzubereiten.

    Vierter Teil: Kathrina wandert in die französischsprachige Schweiz aus. Sie heiratet dreimal. Alle Ehen enden mit Scheidung. Sie entdeckt die Berufswelt, arbeitet im Verkauf, was ihr Spaß macht, sie eröffnet ihren eigenen Laden und verkauft ihn gewinnbringend nach einigen Jahren. Ihr Vater nimmt sich das Leben, was bei Kathrina viele Überlegungen auslöst. Als sie sieht, dass sie ihre dritte Scheidung nicht vermeiden kann, steht sie mit ihren vier Kindern vor einem Scherbenhaufen. Sie hat auch große gesundheitliche Probleme. Sie weiß, es liegt an ihr, ihr Leben in eine andere Bahn zu lenken. Sie arbeitet sich allein einen Besserungsplan aus und hält sich daran. Sie entdeckt grundlegende Irrglauben in ihrem Hirn. Diese Irrglauben haben sie auf Irrwege geführt, die nicht ihrer Persönlichkeit entsprechen. Sie wird sich klar über ihren Mangel an beruflicher Ausbildung, lässt sich beraten und meldet sich in der Universität von Lausanne für ein Jurastudium an. Sie ist 40 Jahre alt.

    Fünfter Teil: Das Jurastudium und die Universitätsatmosphäre sind genau, was Kathrina braucht. Sie ist glücklich. Sie lebt mit ihren Kindern in einer extrem prekären finanziellen Situation. Nach vier Jahren besteht sie ihre Lizenziatsprüfung (entspricht dem heutigen Master). Während ihrer Studienzeit lernt sie ihren Liebhaber kennen. Die Beziehung wird 27 Jahre dauern. Kathrina entwickelt ihre eigene Theorie der Liebe, die Kumulustheorie. Da sie am Ende ihrer Studienzeit schon 44 Jahre alt ist, hat sie größte Schwierigkeiten, eine Anstellung zu finden. Sie überlebt mit Kurzzeitjobs, die sich mit Arbeitslosigkeit abwechseln. Die Zeiten der Arbeitslosigkeit benutzt sie, um einer jungen Frau, die in ihrem Herkunftsland schlimm gefoltert wurde, den Weg zurück ins Leben zu zeigen. Ein andermal stellt sie eine neue politische Gruppe für das Stadtparlament auf die Beine. 

    Kurz nach ihrer Studienzeit beginnt die Informatik ihren Einzug. Kathrina ist begeistert und eignet sich schnell und ohne Schwierigkeit die nötigen Kenntnisse an. Sie betrachtet Internet als einen Segen, der ihr endlich ermöglicht, Antworten auf viele Fragen zu finden. Sie entdeckt, dass sie hochbegabt, hypersensibel und noch so einiges ist und dass es außer ihr noch mehr Menschen gibt, die mit der Organisation der Gesellschaft, so wie sie ist, nicht zurechtkommen.

    Sie gründet schließlich ihr eigenes Übersetzungsunternehmen in dem sie bis zum Rentenalter tätig ist. Sie hat Glück, dass die Versandung der Branche erst kurz nachher eintritt, als die Übersetzungssoftware zu leistungsfähig wird. Kathrina hat mit ihren Übersetzungen sehr gut verdient und hat sich ein Haus mit Garten in den Bergen kaufen können, wo sie noch heute lebt.

    Kathrina Mutter, die ihr Leben lang eine große Belastung für Kathrina darstellte, stirbt zu dieser Zeit. Kathrina fühlt sich sehr erleichtert. 

    Die Beziehung mit ihrem Liebhaber beginnt nach zehn Jahren an Intensität abzunehmen, aber Kathrina verliert lange Zeit nicht die Hoffnung, bis dass er sie körperlich angreift. Nach 27 Jahren setzt sie dieser Beziehung ein Ende.

    Sechster Teil: Kathrina ist allein, ihre Kinder sind längst groß. Als Rentnerin hat sie Zeit, sich um sich selbst zu kümmern. Sie entdeckt die wunderschöne Region, in der sie wohnt. Sie lernt, mit einer Mal- und Zeichensoftware auf ihrem IPad zu arbeiten, entwirft hübsche Designs für T-Shirts, die sie im Internet verkauft. Als im Jahre 2020 Covid seinen Einzug nimmt, ist sie von Alters wegen in der Risikogruppe und meint, sie würde sicher bald sterben. Sie räumt daraufhin ihr Haus auf. Aber sie stirbt nicht. Während der sehr harten Beschränkungen im Winter 2020/2021, wo im privaten Raum nur fünf Personen erlaubt sind, organisiert sie mit viel Erfolg Mini-Konzerte in ihrem Wohnzimmer. So macht sie eine Menge Bekanntschaften. Unter außergewöhnlichen Umständen lernt sie einen Mann kennen, mit dem sie eine kurze Affäre hat, die ihrer Gesundheit sehr zuträglich ist.

    Siebter Teil: Perspektivenwechsel. Kathrinas Geschichte ist jetzt zu Ende, aber die Autorin Birgitta lebt und ergreift hier das Wort.

    Sie beruft sich auf den ihren im ersten Teil beschriebenen Denkraum und bietet den Leserinnen und Lesern an, ihnen zu zeigen, welche Fragen sie dort gerade bearbeitet. Sie wählt drei Fragen aus, über die es in diesem Buch oft ging: das Alter, die Verliebtheit und die Liebe.

    Die Autorin sieht sowohl ihre eigene Zukunft als auch die Zukunft im Allgemeinen aus einem positiven Winkel: Die Zukunft gehört den Mutigen!

    Vorwort von Alban Bourdy

    Sie sind im Begriff, ein Buch besonderer Art zu lesen, ein Buch, das sich nicht in die gewohnten Kategorie einordnen lässt. Ich fühle mich geehrt, das Vorwort schreiben zu dürfen. Auch ich bin zum ersten Mal mit einem derartigen Werk konfrontiert. Es erfrischt mich wie eine Brise, deren reine und kräftige Meeresluft mir die unergründbare Wahrheit des Lebens ins Gesicht bläst. Ich spüre die Nähe eines Wesens schon bevor dieses Wesen die Gestalt von Birgitta-Kathrina annimmt. Aus der Schwebeperspektive betrachtet mein Bewusstsein ihre Geschichte losgelöst und berührt zugleich. Die Diskrepanz zwischen Kathrinas feinfaserigen Überlegungen und Gefühlen einerseits und dem eiskalten Umfeld andererseits, geprägt durch die Armut der Nachkriegszeit, Feindseligkeit und Austerität beeindruckt mich sehr. Aus meiner heutigen Sicht, im Jahre 2022 in der Schweiz, verwirren mich derartig harte Lebensbedingungen, zeitlich und geografisch so nah, von denen die lebensfrohe Autorin mit Gelassenheit zeugt.

    Was ist Liebe? Die Autorin analysiert Spuren der Liebe, sie lässt sich nicht durch Lehren und Diktate dieser oder jener Gesellschaft beirren, sondern konfrontiert uns mit ungewohnten Perspektiven, die unsere Wahrheiten von einem neuen Standpunkt aus beleuchten und durchleuchten. Wir stehen erstaunt vor der ungefilterten Quelle.

    Ich kenne Birgitta seit gut einem Jahr, unsere Gespräche sind immer sehr inhaltsreich, ungewöhnlich, hochinteressant. Sie öffnet Fenster, deren Existenz mir entging und präsentiert einen überraschend wohlstrukturierten und abgerundeten Ausblick.

    Es ist für mich eine Herausforderung, das Vorwort für ein Buch mit dem Titel Was ist Liebe? zu schreiben, denn nie kam mir in den Sinn, mich mit dieser Frage zu beschäftigen, obwohl ich normalerweise mit schriftstellerischer Freude und Überzeugung die Definition aller möglichen Begriffe unter die Lupe nehme. Ich kann auch nicht erklären, was Liebe ist, ich spüre ihre Präsenz in meinem ganzen Wesen, sie ist für mich der steuernde Referenzwert des Lebens. Wo Liebe präsent ist, ist der ganze Rest nur eine Organisationsfrage. Doch wird mir gewahr, wie wichtig es ist, den Zugang zur Liebe zu entrümpeln und da Brücken zu bauen, wo ich irrtümlicherweise glaubte, der Weg sei von Natur aus frei und von Weiten zu erkennen. Für eine Person, der in ihrer Kindheit ein abgeschmackter Ersatz oder ein wirres, unförmiges Gemisch unter dem Namen Liebe präsentiert wurde, liegt der Weg zur Liebe unter einer Müllhalde begraben. Birgittas atypischer Charakter hat mich bei der ersten Begegnung verwirrt und gleichzeitig fasziniert. Aus ihren Augen strahlt eine erfrischende Freiheit und eine Klarheit, auf die das Gegenüber nicht vorbereitet ist. Freiheit aber ist und war schon immer das Ziel meiner Bestrebungen; Birgitta schreitet auf diesem Weg unbeirrt und mit bewundernswerter Gelassenheit.

    Ihre Persönlichkeit berührt mich, sowohl was unsere Gemeinsamkeiten als auch unsere Verschiedenheit angeht … Wir sind beide hochbegabt und hochsensibel und ich habe den Eindruck, dass wir beide weitgehend allein unsere Wege in die Welt der Erwachsenen betreten haben, ohne Hilfe von Erwachsenen. Mir scheint, dass wir dadurch, indem wir uns allein mit unserer eigenen Persönlichkeit auseinandersetzen mussten, über haltbare und standfeste Grundlagen verfügen. Unsere Kindheit war vergleichbar, wir reagierten beide sehr heftig auf alles, was wir nicht verstanden. Sobald wir aber durch Erfahrung lernten, was für uns gut ist und was nicht, verschwanden diese starken Abwehrreaktionen zusehends. Birgittas Patchworkkultur entspricht ebenfalls meiner Philosophie; auch ich lebe mit meiner Partnerin Christine Leclerc-Sherling in einem auf unsere jeweiligen Bedürfnisse zugeschnittenen Kulturmix mit elastischen und beweglichen Grenzen. Manchem mag das unverständlich, oder sogar unverantwortlich vorkommen, doch ich verspüre eine wohltuende Freiheit, genährt von unserer Eigenverantwortung.

    Nicht nur die Kultur wird in diesem Werk hinterfragt: Die Autorin analysiert auch die Bedeutung, die in unserer Gesellschaft der Zeit zugeschrieben wird. Missverhältnisse, die den gesamten Aufbau der Logik ins Wanken bringen, werden aufgedeckt. Wir schweben wie Adler über der globalen Lebenswirklichkeit von Ländern, Sprachen, Kulturen, Zeitaltern. Die haarscharfen Sinne eines Adlers nehmen alles wahr und verankern die Bilder in seinen Empfindungen. Der Adler, als freies, lebendes Wesen, trifft seine Entscheidungen auf dieser Basis. Die hochsensible Birgitta akzeptiert keine Zugeständnisse. Vorgegebenen Anschauungen schreibt sie keinen Wert zu. Die dadurch ausgelöste Verwunderung erzeugt ein Gefühl der Frische. Ihr Werk fungiert wie ein Werkzeug, welches das Werk vom Zeug befreit und uns den Blick auf die unformatierte Schöpfung, das Leben als solches, erlaubt. Ich stelle fest, dass ich, ohne es zu wollen, manchmal gegebene Meinungen und Feststellungen ohne Hinterfragung übernehme. Birgitta ermutigt mich, neue Fenster zu suchen durch die ein neues Licht erscheint.

    Dieses Buch ist keine Einschlaflektüre, wache Konzentration und eine offene Einstellung sind nötig, um den Inhalt voll genießen zu können. Die Autorin legt ihr Engagement an den Tag. Sie fordert uns auf, unsere Überzeugungen und Einstellungen einen Moment zur Seite zu legen und das Leben aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Sie erklärt, wie Gedanken und Gefühle, von sprachlichen Formatierung befreit, mit Hilfe von Farben und Zahlen in ihren geschützten Denkraum schlüpfen. Die Vorstellung allein, meine Gedanken und Gefühle der sprachlichen Formatierung zu entledigen, um diese in Freiheit arbeiten zu lassen und sie nach getaner Arbeit zurückzuformatieren, ist für mich eine große Herausforderung. Ich stelle fest, dass bis jetzt in meiner Welt die Wörter der mir bekannten Sprachen Englisch und Französisch von so hoher Wichtigkeit waren, dass ich mir nicht einmal vorstellen konnte, wie es überhaupt möglich sein könne, in anderen Sprachen zu kommunizieren, obwohl mir natürlich bewusst war, dass diese Möglichkeit existiert.

    Dieses Buch erlaubt uns, abseits von kultureller Formatierung und gewohnten Kodierungen das Wesentliche zu berühren und die Substanz zu hinterfragen. Birgittas eigenartige Kunst, sich in ihren Gedanken von den Wörtern zu befreien, erlaubt ihr – wie ich es selbst am Welttag der Sensibilität 2022 in Lausanne miterlebte, spontan vor einer Menge das Mikrofon zu ergreifen und zu intervenieren mit einer Rede, die unter die Haut geht.

    Birgitta-Kathrina hat in ihrem Leben die rasanten Wandel der Sechziger-/Siebzigerjahre (immenser technischer Fortschritt, Wirtschaftswachstum) und der Zeit um den Jahrhundertwechsel (Computer und Internet) mitgemacht. Mit scharfem Blick beschreibt sie, wie sie diese Wandel erlebte. Ihre Persönlichkeit ist von einer Unbestechlichkeit geprägt, die auch ich verspüre; sie hängt meiner Meinung nach damit zusammen, dass wir eigentlich nie weder richtige Kinder noch richtige Erwachsene waren.

    Birgitta entschied, ihr Buch gleichzeitig auf Deutsch und auf Französisch zu schreiben, sie sagt, es sei nicht eine Übersetzung, sondern es seien zwei Originale. Sie nutzt ihre unkonventionellen Fähigkeiten auf ihre eigenen Art, um ihre kulturell unabhängige Sichtweise den Menschen verschiedener Kulturen maßgeschneidert zu präsentieren.

    Unsere heutige Welt, die immer unpersönlicher, standardisierter, virtueller wird, erzeugt das Gefühl, den Boden unter den Füssen zu verlieren. Dieses Buch hält die Leserinnen und Leser dazu an, die Wiederverbindung mit sich selbst, mit der Wahrheit und dem Absoluten zu suchen, ihre eigene Einzigartigkeit wahrzunehmen und sich selbst zu respektieren.

    Im letzten Absatz des Buches präsentiert die Autorin die Zukunft als leuchtend und dynamisch, alles ist möglich, die Zukunft gehört den Mutigen, die Mutigen werden aufgerufen, ihre Erfahrungen in kreative Kraft umzuwandeln, sich an die Arbeit zu machen, um mit vereinten Kräften die Zukunft der Welt zu strukturieren. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Alles ist möglich! Diese Wahrheit, als Grundsatz des Lebens lässt sich in allen Sprachen ausdrücken. Man halte sich nicht zurück!

    Was man glaubt zu wissen, ist bestenfalls nur ein Teil der unergründbaren Wahrheit. Man öffne die geistigen Türen und Fenster, um das wohltuende Licht der Substanz, des Wesentlichen, der Liebe einzulassen. Lassen Sie sich von Birgitta-Kathrinas Vertrauen inspirieren.

    Alban Bourdy (französischer Schriftsteller)

    Deutsche Übersetzung von Birgitta Bischoff

    Wie schreibe ich Zwillingsbücher in verschiedenen Sprachen?

    Hallo Ihr alle!

    Wollt Ihr eine Geschichte hören? Die Geschichte meiner Geschichte?  

    Ich erzähle gern Anekdoten und Geschichten aus meinem Leben, wenn ich mich mit Freundinnen und Freunden treffe. Und so oft hörte ich: „Du solltest ein Buch schreiben!“

    Ich lachte: „Glaubt ihr, ich habe für sowas Zeit?“  

    Während vieler Jahre hatte ich tatsächlich keine Zeit, aber seit die Kinder groß sind, bin ich ein bisschen weniger überbeschäftigt. Da passierte es doch tatsächlich, Ende 2021, dass drei Freundinnen mir diesen magischen Satz innerhalb einer Woche sagten. Eine drängte mich, es sei jetzt wirklich an der Zeit. „Du hast Recht, ok, ich beginne.“

    Und so begann ich. Sofort stellte sich die erste Frage:

    In welcher Sprache soll ich schreiben?

    Ich spreche und schreibe fließend Deutsch und Französisch und fühle mich mit beiden Sprachen verbunden. Wenn ich mich für die eine oder andere Sprache entscheide, werde ich regelmäßig denken: „Ach, ich hätte doch …“. Da blieb mir nur eines: In beiden Sprachen schreiben.

    Mit welcher Sprache soll ich beginnen?

    Ich überlegte: In welcher Sprache fühle ich mich mehr zu Hause? Ganz klar im Französischen. Ich bin zwar in Deutschland von deutschen Eltern geboren und dort auch aufgewachsen; natürlich musste ich damals Deutsch sprechen. Die plattdeutsche Sprache, die damals alle Leute sprachen, war mir verboten. Außer diesem Tabu gab es noch viele andere. Im Alter von 18 Jahren bin ich ausgewandert, ich habe freiwillig die Sprache gewechselt, niemand hat mich dazu gezwungen, niemand hat sie mir verboten. Mein ganzes Leben als Erwachsene spielte und spielt sich auch heute noch mehrheitlich auf Französisch ab. Folglich werde ich zuerst auf Französisch schreiben. – Ja aber, es wird doch immer gesagt, die Muttersprache sei doch immer die beste, und sie sei sogar im Gehirn an einem spezifischen Ort aufgehoben. – Mag sein, dass es bei normalen Menschen so ist. Aber erstens bin ich der Meinung, dass ich gar keine Muttersprache habe, und zweitens könnte man lange darüber streiten, wie normale Menschen zu funktionieren haben.  An dieser Frage bin ich aber gar nicht interessiert.

    Also, los geht’s!

    Ich hatte ja vor, über mein Leben zu schreiben, also schien es mir logisch, bei Kindheitserinnerungen zu beginnen.

    Es schien mir angebracht, eine übersehbare Struktur vorzusehen. Ein Leben besteht aus mehreren Phasen, innerhalb derer die Lebensbedingungen in etwa gleich sind. Mein Buch besteht aus sieben Teilen, die ersten sechs entsprechen verschiedenen Lebensphasen, der erste Teil heißt logischerweise „Kindheit“. Der siebte Teil besteht ausschließlich aus Überlegungen. Innerhalb eines jeden Teils beschreibe ich verschiedene Erfahrungen und Gedanken, jeweils als Kapitel gegliedert. Längere Kapitel sind noch mit Untertiteln versehen.

    Am Ende des ersten Teils (in französischer Sprache) stellte ich fest, dass ich 25 A4-Seiten geschrieben hatte. Der Text bestand aus 24 Kapiteln, eines dieser Kapitel zählte drei Untertitel. Die Struktur sah gut aus.

    Und jetzt, wie geht es weiter?

    Soll ich auf Französisch zum nächsten Lebensabschnitt weitergehen? Ich hatte bemerkt, dass es mich harte Konzentration gekostet hatte, die weit entfernten Gegebenheiten soweit ins Leben zu erwecken, dass ich in einer logischen Folge darüber berichten konnte. Das kleine Kind, das ich einmal war, war wieder lebendig in meinem Hirn, ich sah die Bilder und meine damaligen Gefühle waren wieder präsent geworden. Wenn ich jetzt weiter auf Französisch schreibe, werden diese Bilder und Gefühle zwangsläufig in den Hintergrund verdrängt. Das ist, ökonomisch gesehen, Kraftverschwendung. Mir wurde klar, dass ich jetzt sofort mit der deutschen Version beginnen musste. Also los, diesmal auf Deutsch. Der Wechsel von einer Sprache zur anderen ist relativ einfach. Ich versetze mich gedanklich in den kulturellen und sprachlichen Kontext meines gewünschten Publikums. Die Bilder und Gefühle in meinem Kopf werden dadurch nicht verschwinden, denn sie gehören mir und ich bin dieselbe Person, egal in welcher Sprache ich mich ausdrücke. Natürlich funktioniert dies nur, wenn man beide Sprachen auch wirklich beherrscht. Man kann zwar zu Beginn ein wenig ins Stottern kommen, aber das legt sich schnell. – Wer nur eine Sprache spricht, kann sich dies sicher schlecht vorstellen, aber wer mehrsprachig lebt, weiß, dass unser Hirn sich an die praktischen Gegebenheiten unseres Lebens anpasst und uns genau die Kapazitäten liefert, die wir brauchen. Ist das nicht schön? Dabei ist mir aufgefallen, dass meine Erinnerungen nur in Ausnahmefällen mit einem ganz bestimmten Wort verkoppelt sind. So kam mir eine sehr frühe Kindheitserinnerung erst, als ich mit der deutschen Version beschäftigt war und das Wort „woanders“ schrieb. Dieses Wort klang so sehr nach in meinem Hirn, dass ich es mehrmals laut aussprach. Beim Sprechen kam eine Stimmung, ein Gefühl dazu, plötzlich erschienen mir Bilder und ich befand mich in einer Situation, die ich völlig vergessen hatte, ähnlich wie eine Musik, die uns plötzlich in die Atmosphäre versetzt, in der wir sie gehört haben. Ich war damals erst 3 ½ Jahre alt. Der Klang des Wortes war nötig gewesen, um die Erinnerung zu wecken. Dieses Wort heißt auf Französisch „ailleurs“. Der Klang hat wirklich nichts mit „woanders“ gemeinsam.

    Als ich den ersten Teil meines Buches auf Deutsch schrieb, bemerkte ich bei der späteren Kontrolle, dass ich mich oft etwas anders ausdrückte, manchmal schrieb ich auch etwas, was ich auf Französisch nicht für nötig gehalten hatte, andere Male ließ ich auch etwas aus. Ich musste dann entscheiden, ob ich eine der Versionen anpassen wollte oder nicht. Ich ließ mein Gefühl entschieden. Manchmal tat ich es, andere Male nicht.

    Als der erste Teil in beiden Sprachen stand, fragte ich einige Bekannte, die interessiert schienen, ob sie lesen wollten, was ich geschrieben hatte und mir nachher zu sagen, was sie davon hielten. Schnell fand ich zwei Nachleserinnen und drei Nachleser für die französische Version und drei Nachleserinnen für die deutsche. Dies erwies sich als eine gute Idee. Ich kannte manche dieser Leute nicht sehr gut, aber wer höflich fragt, bekommt auch eine höfliche Antwort. Durch den regelmäßigen Kontakt mit meinen Nachleserinnen und Nachlesern haben wir uns natürlich auch besser kennengelernt. Meine „freiwilligen MitarbeiterInnen“ erwiesen sich als ganz wunderbare Menschen. Auf ganz verschiedene Art trugen alle dazu bei, dass Texte und Struktur optimal anpassen konnte.

    Erst nach den Kommentaren meiner NachleserInnen fühlte ich mich bereit, den nächsten Teil auf Französisch in Angriff zu nehmen. Mein Hirn war wieder frei und konnte sich voll auf den nächsten Teil konzentrieren.

    Im Ganzen schrieb ich hundert A4-Seiten auf Französisch, ein bisschen mehr auf Deutsch. Ich ging immer gleich vor, jeder Teil wurde zuerst auf Französisch und dann auf Deutsch geschrieben.

    Als ich fertig war, habe ich kontrolliert, ob alle Kapitel auch in beiden Versionen zu finden waren. Das waren sie aber nicht! Im Eifer des Gefechts hatte ich einmal in der deutschen Version ein kleines französisches Kapitel übersehen und auch einmal einfach auf Deutsch weitergeschrieben, in der Meinung, ich hätte den Inhalt auf Französisch erwähnt, was aber nicht der Fall war. Nach kurzer Überlegung übernahm ich beide Waisenkapitel auch in die andere Sprache.

    Die 111 A4-Seiten (deutsch) oder 101 Seiten (französisch) sind gegliedert in 7 Teile, 105 Kapitel und 28 Untertitel.   

    Ganz am Schluss, nachdem ich selbst auch meine Texte mehrmals nachgelesen hatte, befragte ich nochmals meine „freiwilligen MitarbeiterInnen“ nach Ihrer Meinung. Daraus ging hervor, dass eine gewisse Uneinigkeit über die Struktur bestand. Daraufhin teilte ich den umfangreichen sechsten Teil in zwei Teile. Mit dem sechsten Teil endete die Erzählung, der siebte Teil bestand nur noch aus Überlegungen. Ein Kapitel, das anfänglich im dritten Teil beheimatet war, kam ebenfalls in diesen siebten Teil, da es ausschließlich aus Überlegungen bestand. So können Leserinnen und Leser, die gern Berichte lesen, mit reiner Theorie aber nichts im Sinn haben, am Ende des sechsten Teils aufhören. Mit dieser Lösung waren alle NachleserInnen (aus beiden Sprachen) einverstanden.

     Hier ein paar Kommentare meiner NachleserInnen beider Sprachen:

    „Ich danke dir, dass du mir erlaubt hast, dein spannendes Projekt mitzuverfolgen, ich habe viel dabei gelernt.“

    „Dein Stil gefällt mir sehr gut, das Lesen macht Spaß, genauso wie wenn du deine Geschichten erzählst. Du musst ein Hörbuch daraus machen.“  

    „Deine gute Struktur gefällt mir sehr. Ich mag gern manchmal zurückblättern, um etwas ein zweites Mal zu lesen. Das ging mühelos.“

    „Du erklärst mit einfachen Worten und ohne Anklagen komplizierte und schwerwiegende Tatsachen.“

    „Du bringst knallharten Sinn hinüber mit einer bildlichen Sprache. Ich hasse es, wenn ich zum Lesen ein Lexikon brauche. Keine Notwendigkeit bei dir.“

    „Für mich war deine Geschichte wie eine Reise in eine unbekannte Welt, von deren Existenz ich keine Ahnung hatte.“ 

    „Ich habe Ähnliches erlebt. Mir werden jetzt Zusammenhänge klar.“  

    „Ich hatte großen Spaß an unseren Diskussionen.“ 

    „Schade, dass es zu Ende ist. Wirst du noch andere Bücher schreiben?“

    „Ich glaube, ich werde mich auch dranmachen, ein Buch zu schreiben.“